18. Verhandlungstag: Freitag, 19.09.2014

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Zeuge Reiner F., 52 Jahre, PHM, Polizeipräsidium Ulm, Revier Laupheim,
damals Kommandant Wasserwerfer 1
Strafbefehl 7 Monate auf Bewährung, dreifache fahrlässige Körperverletzung im Amt

Protokoll folgt noch

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Den gestrigen Verhandlungstag verdaut, folgt ein kurzer Abriss der wichtigsten Aussagen gestern

Das Auffälligste war die Sprache zu Beginn "Menschen, Leute" später "Störer, Demonstranten" mit gewisser Achtung "hartnäckig"

Auch diesem Zeugen wurde am 29.09. gegen Abend Bescheid gegeben, dass Einsatz auf 6:00 Uhr vorverlegt wurde

Die haben am 29.09. alle Wasserwerfer einsatzfähig fertig betankt und waren damit jederzeit abfahrtbereit in Biberach abgestellt.

Für Zeuge unbedeutend, dass Wasserwerfer vollgetankt über die Autobahn rollen wegen der bestehenden Geschwindigkeitsbeschränkung.

Nach Einfahren in Mittleren Schlossgarten ging Zeuge zunächst davon aus in einem gesicherten Bereich zu sein.

Er war wohl sehr erstaunt als er dann viele Menschen dort sah und auch Kinder. Der sprach tatsächlich von Kindern.

Zeuge war der erste Polizeizeuge der von Kindern sprach. Alle anderen sagten aus, sie konnten nicht genau das Alter schätzen.

Er wurde aufgefordert, Durchsagen zu machen, die aber wohl nicht gehört werden konnten, weil zu weit weg von Gitterwagen.

Die Durchsagen hatten eh keinen Erfolg, es kamen immer mehr Leute zu dem Gitter-LKW und den beiden Wasserwerfern.

Zeuge erfuhr von Vorgesetztem, dass Schlagstock und Pfefferspray eingesetzt wurde, Wasserfreigabe war noch nicht erfolgt.

Trotzdem kamen immer mehr Menschen und es wurden Barrikaden errichtet mit Baustellenzubehör (Rohren).

Seine Durchsage dann ca. 12:47 Uhr: Unbeteiligte Presse und Kinder sollen sich entfernen zu ihrer eigenen Sicherheit.

Er hatte Auftrag von Staffelführer mit Wasserregen zu beginnen. 12 bar in den hinteren Bereich.

Der Wasserregen hatte nicht das gewünschte Ergebnis, es kamen noch mehr Menschen zu den Wasserwerfern.

Blockaden wurden durch BFE aus Bayern aufgelöst und geräumt, Demonstranten setzten sich wieder, wieder Räumung.

Planen werden beschossen, weil darunter erfahrungsgemäß Straftaten vorbereitet werden.

Statt weniger zu werden, sind immer mehr Leute unter die Planen gekrochen.

Er hatte als Kommandant zwei Rohrführer dabei ohne Erfahrung im Einsatz. Die haben ihre Sache dann aber gut gemacht.

Am 29.09. deshalb noch remonstriert bei Staffelführer, nach Übung dann aber beruhigt, die können das.

Konkrete Mitteilung des Staffelführers: Rohre ausfahren, Licht an. Zeigen, dass Wasserwerfer einsatzbereit und da ist.

Bevor Wasserregen eingesetzt wurde nochmals drei Durchsagen mit Abstand von 1 Minute, dass Wasser eingesetzt wird.

Zeuge musste Wasser sparen, deshalb von Wasserregen auf Wassersperren mit 4 bar Druck umgestellt.

Zeuge hat nichts von Stumpf, Häussler und Verletzten mitbekommen. Hat mit keinem der Angeklagten gesprochen am 30.09.

Zeuge hat nie gehört, dass der Einsatz des Wassers in irgendeiner Form beschränkt war. Wasser frei heißt Wasser frei.

Zeuge sprach ebenfalls von Mischformen (Wasserregen/Wassersperre), die gibt es in der PDV gar nicht.

Zeuge sprach immer wieder vom Wassersparen. Stellt sich die Frage, hätte es weniger Verletzte gegeben, wenn -

Zeuge kam ins Schlingern wegen einer früheren Vernehmung, in der er von Kopfhöhe gesprochen hatte

versuchte zu korrigieren, dass er damit die Beamten gemeint hat, über deren Höhe hinweg die Wassersperre gesetzt hätte sollen

Zeuge ist seit 1988 Kommandant auf Wasserwerfer, hat Lehrgang dazu erst 2006 erhalten!

Er war in Davos, Berlin, und Friedrichshafen eingesetzt. Seine Erfahrung aus Friedrichshafen sagt alles:

"Wir haben 2/3 Sekunden Wasserregen gemacht, dann war der Platz leer."

In Biberach standen fünf einsatzfähige Wasserwerfer. Staffelführer sprach von vier und einem Ersatzteillager in Form eines fünften Wasserwerfers

Wasserwerfer sind nicht mehr in Biberach. Baden-Württemberg hat "nur noch vier Wasserwerfer" jetzt in Göppingen.

Er hat gesehen, dass Demonstranten ein Bild hoch gehalten haben. Er hat es nicht richtig erkennen können und schon gar nicht...

...in Zusammenhang mit Verletzungen zu diesem Einsatz bringen können. Erst um 23:00 Uhr von Besatzung des Wasserwerfer 4...

...im Hotel von Schwerverletzem erfahren. Dann im Fernsehen die Bilder gesehen.

Zeuge hatte noch nie Verletzte bei Wasserwerfereinsätzen, das war das erste mal.

Laut Zeuge Reizstoffe an Bord des Wasserwerfer aber nicht geöffnet, angelanzt und installiert. Von innen kommt er da nicht ran.

ABC-Masken waren an Bord. Um Reizstoffe anzuschließen hätte er aussteigen müssen, nur von außen zugänglich mit Schlüssel.

Er hat keine hustenden Menschen gesehen, nach seiner ersten Wasserabgabe - Wasserregen

Von Polizeileitung in einer Nachbesprechung nur gelobt worden. In weiterer Besprechung mit StA Biehl dann erfahren, dass...

...Ermittlungsverfahren eingeleitet wurden. Daraufhin Rechtsanwalt eingesetzt. Zeuge 7 Monate auf Bewährung Strafbefehl akzeptiert.

[Im Endeffekt nichts Neues gehört an diesem Verhandlungstag, es war trotzdem emotional belastend wegen Videos]

[Kabinen-Videos aus den Wasserwerfern mit Gespräch ist wirklich happig, vor allem wenn man die getroffenen Menschen kennt.]

[Viele Menschen erkannt, die direkt vor dem Wasserwerfer standen und blockierten. Es ist immer wieder schwer, das zu ertragen]

[Im Gerichtssaal treffen zwei Welten aufeinander: Die juristische Welt und die Welt des Echten Lebens]

[Mein Fazit vor der Sommerpause jetzt: ein stümperhaft geplanter Einsatz, schlecht kommuniziert in den Polizeireihen...]

[...überforderte und unter Sparzwang agierende Beamte wurden auf naive arglose ungläubige Menschen losgelassen und niemand...]

[...von den Verantwortlichen hat Rückgrat gezeigt und den Wahnsinn eingestellt. Solch ein Einsatz darf sich in der BRD nie mehr...]

[wiederholen. Deshalb brauchen wir Öffentlichkeit, Sensibilisierung der Menschen und Polizeibeamten.]

Prozess wird fortgesetzt am 13.10.2014, 14:00 Uhr Landgericht Stuttgart. Werde dabei sein.

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KONTEXT Artikel: Blind Date im Park
der achtzehnte Verhandlungstag
Ausgabe 183 vom 01.10.2014