14. Verhandlungstag: Mittwoch, 27.08.201

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Zeuge Oliver H., 44 Jahre, PHK, Polizei Hochschule Biberach,
damals Staffelführer der Wasserwerferstaffel
Strafbefehl 7 Monate auf Bewährung, fünffache fahrlässige Körperverletzung im Amt

Protokoll von Sybille Kleinicke

Tweets von @fraufoo

Tweets von visions_s

was ein langer Tag auf Gericht. Nach einem 1,5-stündigen Entscheidungsprozess über Aussageverweigerungsrecht H. am Vormittag

ging es dann ab 11:00 wirklich los. Aussage H., Staffelführer Wasserwerfer am 30.09.2010 im Stuttgarter Schlossgarten.

keine Wasserversorgung vor Ort, kein Digitalfunk für Wasserwerfer-Staffel, H. musste per pedes Informationen bei M.-B. einholen.

Alles war zugesagt und am 30.09.2010 dann April April. Wasserwerfer konnten im Mittleren Schlossgarten nicht nachgetankt werden, da Feuerwehr nicht da.

Feuerwehr genau wie DRK nicht angefordert im Vorfeld. Kurzfristig wurden statt zwei Wasserwerfer am 29.09., 17:00 Uhr vier Wasserwerfer angefordert.

Umbesetzung Wasserwerfer-Besetzungen, keine Reserve vorhanden. Irgendwie zusammengewürfelte Besatzungen, statt eingespielte Teams.

Sachverständiger von der Bundespolizei hatte Montag erklärt, dass Wasserwerfer-Besatzung miteinander können, eingespielt, trainiert sein muss.

Nicht einmal Begleitsicherung war vorhanden. H. wäre ohne diese nicht mehr gefahren, zu große Gefahr, dass was passiert.

Vor Ort von Fall zu Fall Absprachen mit den Einsatzhundertschaften Absprachen getroffen zur Sicherung. Wechselnde

Zeuge sprang den ganzen Tag rum und hat mit Einsatzabschnittsleitung M.-B. gesprochen, Vorgehen wurde mehrfach

Erinnerungslücken beim Zeugen zu Besprechungen. Wer, wann mit wem wo. Weg Kann sich nur an zwei konkrete Besprechungen erinnern

Erstens: M.-B. wollte kein zweites Duisburg erleben. Druck der Demonstranten muss von Gitterlinien weg

Zweitens: Hinweis Zeuge, dass Reizstoffe da aber nicht angeschlossen sind. F. abgelehnt mit den Worten "Reizstoff in Stuttgart geht

gar nicht". Ansonsten weiß er nichts mehr von Inhalten von Besprechungen. Nur noch Erinnerungslücken.

Da kein Funk möglich mit M.-B., immer wieder persönliche. Ansprache, Absprache wie Wasserwerfer jetzt vorgehen sollen/können/müssen. Planungen

mussten mehrfach angepasst werden, weil Ursprungsplan nicht aufging. Ursprünglich sollten zwei Wasserwerfer abgegrenztes Gelände sichern

Im Laufe des Tages waren dann alle Wasserwerfers im Einsatz und so ziemlich leer geschossen. Wasserwerfer 3 und 4 wurden am Nachmittag nachge-

zogen, weil Wasserwerfer 1 und 2 leer waren. Also etwa 18000 Liter Wasser waren da schon abgegeben als Wasserregen, Wassersperren.

Wassersperren wurden eingesetzt, weil Wasserregen zu viel Wasser verbraucht und man Wasser sparen musste! Regen wirkungslos.

"Die sind ja nicht gegangen, sondern noch mehr geworden" Heute kam dann der Begriff "tiefergezogener Wasserrregen auf"

Das waren also keine Wasserstöße. Wurde eingesetzt, um Druck auf die Störer zu erhöhen und gleichzeitig Wasser zu sparen.

[Für mich der Witz des Tages "Wassersparen beim Wasserwerfereinsatz" und deshalb diese Wassersperren. Was für Stümper!]

[Man muss sich fragen, was die da geplant haben. Ich dachte immer, da sind Profis am Werk - aber weit gefehlt.]

Fehlender bzw. nicht funktionierende Funkfrequenzen; zu wenig Beamte; Planlose Polizeieinheiten, die sich nicht auskannten;

keine Rettungskräfte verständigt; Feuerwehr nicht verständigt, die aber gebraucht wurde für Wasserwerferbetankung;

nicht protokolliert werden können. Vielleicht lohnt sich ein Anruf bei der NSA, dann wäre diese Lücke geschlossen.

Heute erkannt, dass dieser Einsatz völlig in die Grütze gehen musste wegen Planung, die nicht aufgehen konnte, Wissenslücken

bei den Einsatzkräften, behinderter Kommunikation. Ein Abbruch hätte bereits um 10:28 Uhr erfolgen müssen, als ersichtlich war,

dass Einsatzkräfte noch auf der Autobahn und Parkschützer bereits massenhaft in den Park geströmt sind. Da wurde etwas durch-

gezogen auf Teufel komm raus, ohne Rücksicht auf Verluste, was ja nicht absehbar war. Wie dumm kann/darf man eigentlich sein?

Weitere Infos morgen. Bye Bye

zweiter Teil der Tweets

Aussageverweigerungsrecht nach § 55 StPO wenn man sich selbst durch wahrheitsgemäße Aussage belasten könnte gilt nicht für Zeuge

Zeuge ist durch Annahme Strafbefehl (7 Monate auf Bewährung) rechtskräftig verurteilt. Laut Richterin und später Kammerentscheidung

ist der diesen Strafbefehl der historische Ablauf des 30.09. für den Zeugen abgedeckt. StA hätte Nachtragsanklage machen müssen

Zeuge muss nicht erwarten, dass durch die Aussage weitere Anklagepunkte möglich sind. Sogenannter Strafklageverbrauch

Zeuge seit 2001 in Biberach. Spricht breites schwäbisch und extrem schnell. Schwer, alles mitzuschreiben und akustisch zu verstehen

Zeuge hat Erfahrung als Staffelführer seit 2001. Davos, Genf, Ulm, Sicherung Fußballspiel mit Wasserwerfer in Stuttgart ohne Wasser

Seit 06/07 2010 Einsatzführer technischer Einheit Biberach und seit dem auch verantwortlich für Wasserwerfereinheit

Erste Einsatzbesprechung 28.09. in Stuttgart im PP, Begehung Schlossgarten, Zufahrt Wasserwerfer nur über Café Nil, keine Alternative

Anforderung 28.09. zwei Wasserwerfer zur Sicherung und Einsparung Personal des abgesperrten Baufeldes über mehrere Tage, sogenannter Objektschutz

ein einfacher Auftrag, gut zu machen. Erweiterung der Anforderung dann am 29.09. am Morgen. Gefordert vier Wasserwerfer und technische Gruppen

hektische Umplanung und Vorbereitung in Biberach, Personalengpässe bei technischer Abteilung und Wasserwerfer-Besatzungen. Zeuge gibt

Peronalsuche an Stellvertreter ab, muss sich um Infrastruktur und Einsatz kümmern. Abends dann um 17:00 Uhr Anruf aus Stuttgart

Einsatz von 15:00 Uhr auf 10:00 Uhr vorgezogen. Telefonisch Einheiten ab 6:00 Uhr am 30.09. in Biberach in Bereitschaft

Am 30.09. musste Staffel gleich um 6:00 Uhr nach Böblingen verlegt werden. Fahrzeit mit vollen Betankung: mind. 2,5 Stunden.

Ankunft Zeuge 8:30 Uhr, Ankuft techn.Gruppe und Wasserwerfer 8:50 Uhr. In Böblingen durchfragen, keiner zuständig für Zeuge und technische Einheit

Zeuge bekam letzte 10 Minuten der Einsatzbesprechung in Böblingen mit, nichts Neues erfahren zur Planung. Zeuge hat technischen Tross

mit zusammengestellt, Abfahrt sollte dann gegen 10:00 Uhr sein. Erste Panne dann hier.

keine Funkgeräte bekommen. Keine Wasserversorgung im Schlossgarten gesichert durch Feuerwehr. Wurde schlicht nicht erledigt.

Staffelführer und Stellvertreter (StV) der Wasserwerfer mussten sich auch im Laufe des Tages selbst um Verpflegung und Unterkunft bemühen

Zeuge hat bei Ankunft Schlossgarten vom Feldherrenhügel aus erst einmal die Lage gepeilt und war doch recht erstaunt.

Hinweis: Bei Aussage sprach Zeuge von Bürgerinnen und Bürger mit Anstand und Respekt. Während Befragung dann Polizeijargon

Zeuge stellt fest, dass mehr Bürger im Schlossgarten sind als Polizei. Gitter-LKWs waren als erste eingefahren und völlig ungesichert

Wasserwerfer 1 und 2 100m weiter hinten abgestellt, nicht sichtbar für Bürger, deshalb keine Aufmerksamkeit auf Wasserwerfers. Ungehindertes

Besteigen und Blockieren der Gitter-LKWs durch Jugendliche. Zeuge beschreibt Partystimmung bei den Jugendlichen, Lauti-Wagen

noch nicht einsatzbereit, deshalb 1. Durchsage durch Wasserwerfer-Lautsprecher von M.-B. Keine Wirkung, Aufmerksamkeit dann auf Wasserwerfer

immer mehr Bürger im Park. Einheiten fehlten immer noch. Sitzblockaden vor Wasserwerfer. Räumung Gitterfahrzeug Widerstandshandlungen

Einsatz Schlagstock und Pfefferspray, derweil Blockade vor Wasserwerfer auch mit Rohren von Baustelle im Park. Zeuge und M.-B. sehen ohne

weitere Einheiten keine Möglichkeit, die Blockade aufzulösen. M.-B. macht wieder mehrere Durchsagen jetzt durch Lauti-Wagen

Lage spitzt sich zu. Freigabe Unmittelbarer Zwang gegen 11:45 Uhr, um Gitterfahrzeuge freizubekommen. Immer mehr Leute im Park

Ab ca. 12:45 Uhr Versuch weiteren Auflauf zu verhindern durch Wasserregen,Kein Erfolg, jetzt erst Recht Sitzblockade vor Wasserwerfer

Einsatz BFE-Einheiten, Räumung Sitzblockade. Derweil Massen von Leuten Bereich Biergarten. Aggressionen steigen halbstündlich

Vermutung Zeuge: Durch massiven Einsatz von Pfefferspray. Stimmung bei Demonstranten schwenkt um.

Kommandanten hatten keinen Plan, wohin sie mussten. Wasserwerfer 3 und 4 Straße am Schlossgarten geparkt. Wurden später wichtig.

Auftrag der Wasserwerfer-Staffel änderte sich. Unterstützung bei der Räumung der Polizeieinheiten.

Wasserwerfer 1 nach Situation Biergarten leer, Vorziehen Wasserwerfer 2 und Reinfahren geparkte Wasserwerfer 3 und 4 zur Wasserversorgung

Zeuge betonte immer wieder, dass er viel rumgesprungen ist, sich an M.-B. gehalten hat, Face-to-Face-Absprachen mit M.-B., Funk nur

in Wasserwerfer-Kabinen möglich. Koordination der Wasserversorgung. Planung Tagschicht Zeuge, Nachtschicht StV bereits jetzt gescheitert

sowohl Zeuge als auch StV rumgesprungen, organisiert, koordiniert Infos eingeholt. Muss wohl Riesen-Chaos geherrscht haben

Durchsagen wurden gehört, zumindest an Reaktionen der Leute sichtbar. Meter für Meter weitergekommen. Mehrfach Wasserwerfer ausgetauscht

Leerer Wasserwerfer zur Abschreckung präsent abgestellt. Wusste ja niemand, dass der leer war.

Zeuge hat um 18:00 Uhr von Keilbach gehört, dass es keine Verletzten gab. Zeuge um 5:00 Uhr in Hotel, um 12:00 aus Presse

erfahren, dass es Schwerverletzte gab. Er wunderte sich, war er auf einer anderen Veranstaltung. Er schien darüber entsetzt

Zeuge wirkte in seiner Aussage glaubhaft. Erst bei der Befragung wurde es später eigenartig. Wechsel in Polizeijargon,

Schlussfolgerungen waren dann polizeiüblich. "Wären die weggegangen, wäre nichts passiert".

Dann Befragung. Ich gebe hier die wichtigsten Antworten wider

28.09. Besprechung im PP Stgt. Lageplan, Auftrag klar, Zusagen zum Funk/Wasserversorgung Schlossgarten, Begehung vor Ort

Zeuge hatte Bedenken wegen der geplanten Anzahl Einheiten zur Absperrung Gelände. Wurden weggewischt.

Zeuge hatte keine Ahnung von Schülderdemo. Ihm wurde gesagt, dass für den Abend mit Demo gerechnet wird. Kein Wort über Schüler

Für Zeuge ging es immer nur um Objektabsicherung zur Personaleinsparung. Wechsel des Auftrags dann am 30.09. vor Ort

Zeuge hat nicht hinterfragt, weshalb plötzlich vier Wasserwerfer angefordert wurden. Hektische Umplanung und Einsatz der vorhandenen Kräfte

Die Vorverlegung des Termins wurde nicht begründet. War halt so.

Zeuge fiel auf, dass Angeklagte normale Polizeiuniform trugen. Normal wäre Einsatzanzug mit anderen Funktionen. Nicht nachgefragt

Zeuge hat immer wieder die Rücksprache mit M.-B. gesucht um weiteres Vorgehen abzustimmen. Ursprüngliche Planung war aus dem Ruder gelaufen.

Zeuge sah zu Beginn keine geschlossenen Einheiten nur wildes Durcheinander der vorhandenen Polizeikräfte im Schlossgarten.

Zeuge weiß nicht mehr, wer ihm mitgeteilt hat, dass Unmittelbarer Zwang freigegeben ist. Meint über Funk was mitbekommen zu haben.

Erste Wasserabgabe 12:48 in Absprache mit M.-B., es war klar, dass das nach hinten losgehen könnte und so kam es: Mehr Leute kamen.

"Jetzt mach sie mal nass" war für Zeuge klar, dass erst einmal Wasserrregen versucht werden soll um Reaktion zu sehen.

Freigabe Wasser bedeutet generelle Freigabe. Entscheidung welche Art eingesetzt wird, trifft Kommandant mit Blick auf Auftrag und

Situation. Eine Einschränkung durch Polizeiführung für Wasserwerfer ist ihm noch nie begegnet. Deckt sich mit Sachverständiger-Aussage Montag.

Erste Wasserabgabe unwirksam, Räumung nur mit Polizeieinheiten möglich, war Zeuge und M.-B. klar. Man musste auf Einheiten warten

Begleitsicherung Wasserwerfer war lange auch nicht vorhanden. Ein Vorrücken bzw. Fahren Wasserwerfer deshalb von Zeuge verweigert wegen Gefahren.

Besondere Herausforderung: Wassersparen! Immer wieder Rückversicherung bei M.-B. über Einsatz, Situation, Vorgehen.

Zeuge hat nichts von Kopftreffern mitbekommen. Er hat von Verletzten nichts mitbekommen. Hob immer wieder seinen Aktionsradius.

Zeuge war selten in überhöhter Position, um irgendetwas zu sehen und mitzukriegen. Rannte rum, organisierte, koordinierte

Zeuge hatte immer wieder Erinnerungslücken, vor allem zu Gesagtem, Besprechungen, Absprachen etc.

"Massiv reinhalten" bedeutet übersetzt für Menschen "Viel Wasser". Wir müssen Wasser sparen - immer wieder sagte der Zeuge dies

Im Übrigen waren die Wasserwerfer zu schwer, um über die Wiese auszuweichen. Zeuge meint, sie wären eingesunken in dem Matsch.

bei 18000 Liter Wasser in dem kleinen Bereich des Schlossgartens kein Wunder.

Besonderes Augenmerk des Zeugen lag am 30.09. nicht nur auf den Laternen sondern auch auf Sonnenschirmen. Denen darf nix passieren.

Zeuge hielt die Planen im Übrigen für äußerst stabil. Also keine Gefahr für die Planen, nur für Laternen und Sonnenschirme.

[manchmal hilft mir nur Sarkasmus und Zynismus, das Gehörte und Gesehene zu verarbeiten. Der Tag gestern war heftig]

[Bemerkungen von mir persönlich: Zur Polizei geht man nicht aus Versehen, weil man nix besseres mit seinem Leben anzufangen weiß]

[Persönlichkeiten besetzt. Ist wie in allen Berufsgruppen. Was uns Normalbürger anormal erscheint, ist für diese Leute völlig legitim]

[keine Entschuldigung nur der Versuch,etwas Unbegreifliches erklärbar zu machen. Für Berufe braucht es entsprechende Persönlichkeitstruktur]

[Alles in allem kann man viel lernen im Wasserwerferprozess. Das Gehörte zieht einem die Schuhe aus, erklärt so manches.]

Fortsetzung nächste Woche Mittwoch ab 9:00 Uhr Landgericht Stuttgart, Saal 18 UG. Werde dann wieder berichten so zeitnah wie möglich

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KONTEXT Artikel: Die guten Tipps vom Staatsanwalt Biehl
der vierzehnte Verhandlungstag
Ausgabe 179 vom 03.09.2014 - Update 04.09.2014