16. Verhandlungstag: Mittwoch, 10.09.2014
Zeuge Freddy B., 56 Jahre, PHK, Biberach
- damals Kommandant Wasserwerfer 2,
- Strafbefehl 120 Tagessätze, fahrlässige Körperverletzung im Amt
Helmut P., 55 Jahre, PHK, Polizei Hochschule Biberach
- damals: Strahlrohrführer Wasserwerfer 1
- Ermittlungsverfahren eingestellt nach § 153a StPO
Hubert S., 49 Jahre, POK, Biberach
- damals: Strahlrohrführer Wasserwerfer 1
- Ermittlungsverfahren eingestellt nach § 170 Abs.2 StPO
Roland H., 59 Jahre, PHM, Hochschule Biberach
- damals Beobachter Wasserwerfer 1
Manfred W., 54 Jahre, Polizeibeamter, Polizei Hochschule, Biberach
- damals Strahlrohrführer Wasserwerfer 2
Michael B., 54 Jahre, POK, Polizeipräsidium Ulm
- damals Strahlrohrführer Wasserwerfer 2
- Ermittlungsverfahren eingestellt nach § 170 Abs.2 StPO
Martin K., 53 Jahre, PHM, Polizeipräsidium Ulm, Revier Laupheim
- damals Beobachter Wasserwerfer 2
Manfred L., 51 Jahre, PHM, Polizeipräsidium Ulm, Revier Laupheim
- damals Kommandant Wasserwerfer 4,
- Ermittlungsverfahren eingestellt nach § 153 StPO
Stefan K.,37 Jahre, PHM, Polizeipräsidium Konstanz
- damals Strahlrohrführer Wasserwerfer 4
- Ermittlungsverfahren eingestellt nach § 153 StPO
Heiko S., 39 Jahre, Polizeibeamter, Polizeipräsidium Ulm, Revier Laupheim,
- damals Strahlrohrführer Wasserwerfer 4
- Ermittlungsverfahren eingestellt nach § 153 StPO
Tanja G., 35 Jahre, POMin, Polizeipräsidium Ulm,
- damals Beobachterin Wasserwerfer 4
Bericht von Nina Picasso
Wer kann, sollte sich wirklich als Zuschauer mal einen Prozesstag beiwohnen. Heute waren einige Punkte doch interessant.
Thema "Beobachterposten" im Wasserwerfer. Die Zeugen konnten jeweils die Zeugenaussage verweigern. [Würde jeder von uns auch machen, wenn man sich sonst so belasten würde, dass eine empfindliche Strafe rauskommen könnte.] Ein netter Ausdruck dazu. Sie könnten wegen "psychischer Beihilfehandlung" angeklagt werden.
Die Fragen die ich mir aber stelle: Die Strahlrohrführer von Wasserwerfer 1 und 2 sind verurteilt worden, bei den anderen Mitglieder der Besatzung ist das Verfahren entweder nach §153a gegen Auflage (geringes Verschulden) oder §170 Abs.2 (Entscheidung über Anklageerhebung-geringer Tatverdacht) eingestellt worden. Nur bei den Beobachtern gab es kein Verfahren.
Der Beobachterposten hat aber im Wasserwerfer eine ganz entscheidende Rolle. Er beobachtet nicht nur das Gesamtgeschehen, sondern er muss auch beurteilen, ob die Wasserabgaben z. B. rechtswidrig sind. Erkennt er das, dann hat er die Handlungsoption den Notaus-Knopf zu drücken.
[Dieser Verantwortung sind sie nicht nachgekommen-sie haben alle nicht die Rechtswidrigkeit erkannt(?), obwohl Kinder/Jugendliche dort waren? Warum wurden denn nur die Strahlrohrführer verurteilt?]
Der erste bereits verurteilte Zeuge schilderte einmal ausführlich, dass der Einsatz so "anders" war, es waren schließlich keine gefährlichen Krawallmacher. Die Jugendlichen hat er auf dem Gitterwagen auf alle Fälle wahrgenommen.
Was bei der Aussage des Zeugen A auch bemerkenswert war, als er auf die Planen spritzte (Ziel-Plane sollte weg),sei er nicht auf die Idee gekommen, dass er auf Köpfe zielen könnte, er wollte niemand verletzen. Er sagte auch aus, dass er in psychiatrischer Behandlung sei durch die Tatsache des schwer verletzten Dietrich Wagner. Einmal solle er nach dem Einsatz vom 30.09. gezwungen worden sein, wieder Wasserwerfer zu fahren (Einsatz bei Demo). Er wollte nicht, wurde dann "nur" als Fahrer eingesetzt.
Eine andere neuere Geschichte. Es gibt eine Taktik der Wassersperre, die "Eindruck" schinden soll. Eine "krachmachende" Sperre, indem mit sehr hohem Druck kurz vor den Demonstranten auf den Boden gespritzt wird, das macht schon Krach-soll einschüchtern. Auf den Vorhalt der Verteidigung, dass ja physikalisch die auf den Boden auftreffenden Strahlen irgendwie wieder weitergehen-rechts links und nach vorne ging weder die Richterin noch sonst wer näher ein.
Auch hier gibt es übrigens wieder zwei Optionen der Aufträge der Wasserwerfer Staffel. Der Auftrag, da bestimmt der Auftraggeber was getan wird. Heißt es aber nur "Wasser freigegeben", dann bestimmt der Kommandant selbst, wie er vorgeht. Die Videos selbst sind eigentlich bekannt-wichtig war natürlich auf die Laternen aufpassen und nicht Polizisten treffen.
Der Zeuge B. wandte auch eine "Mischform" der Wasserabgabe an - Wasserabgabe auf Plane-dauerhaft aber ohne Wasserstöße. Dies sei die mildere Form als pulsierende Wasserstöße.
Grundsätzlich hatte er nur die Befehle von H. angenommen, seinem Staffelführer - dies per Funk, nur einmal an Wasserwerfer direkt mündlich an Fenster. M.-B. hat er gesehen, F. nicht.
Thema Nachbesprechungen - es gab wohl welche. Er sagte zumindest, bei Verletzten ist der Einsatz schlecht, so hat er nie Einsätze erlebt. Grundsätzlich wurde aber keine Quintessenz vor Gericht aus diesem Tag benannt.
Thema Einsatztagebuch - sollte geführt werden, wurde aber nicht gemacht. Nur er machte ein paar Notizen für sich.
Thema Reizgas - Er kontrollierte selber Kanister, waren verplombt, nicht angeschlossen. Er hatte Schlüssel. Wenn Einsatz mit Reizgas, würden ABC-Masken getragen, da Wasserwerfer undicht, auch die Begleitkräfte müssten welche tragen. Begleitkräfte, so bemängelte er, waren anfangs gar nicht dabei-unzulässig.
Ein Anwalt fragte, ob er die Auftragstaktik kennt. Er verneinte.
Ein Polizist sagte übrigens aus, dass M.-B. bei einer Demo in Ulm sich die Freiheit nahm und direkt Anweisungen an die Wasserwerfer-Staffel gab zur Wasserabgabe.
Eine sehr interessante Sache noch. Es gibt wohl ein elementares Gutachten zu Wasserwerfern (deren Gefährlichkeit von 1985), welches praktisch geheim ist und nur sehr wenige das gesamte Gutachten zu Gesicht bekommen.
[durch eine Anfrage der Linken am 1. Juli 2011 im Niedersächsischen Landtag ist das Gutachten öffentlich geworden. Hier zu finden: Gutachten zur Verletzungsgefahr durch Wasserwerfer]
Rechtsanwalt Mann stellte Anträge:
MP Kretschmann als Zeugen laden
Erhalt der vollständigen Protokolle des Lagezentrums vom 25.8-15.10. 2010
Erhalt des vollständiges Gutachten von 1985
Staatsanwalt Biehl gab Erklärung ab. Ja, es waren zwei weitere Staatsanwälte dienstlich mit diesem Einsatz befasst- EA6 .Sie waren in den Räumen der Hahnemannstraße. Staatsanwalt F. und Staatsanwältin N. Sie waren aber nicht unten im Mittleren Schlossgarten.
Übrigens können Staatsanwälte (Ankläger der Sache) nicht wegen Befangenheit abgesetzt werden.
Ansonsten, alle anderen Polizisten konnten ihr Aussageverweigerungsrecht in Anspruch nehmen, auch nach zwei zusätzlichen Kammerbeschlüssen.
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KONTEXT Artikel: Tausend Mann und kein Befehl
der sechzehnte Verhandlungstag
Ausgabe 181 vom 17.09.2014