17. Verhandlungstag: Mittwoch, 17.09.2014

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Zeuge Thomas E., 56 Jahre, POR, Stuttgart, Einsatzabschnittsleiter Landtag,
später zusätzlich eingesetzter Einsatzabschnittsleiter Abschnitt 3 Schlossgarten

Protokoll vom Vormittag von Sybille Kleinicke

Protokoll vom Nachmittag von FrauFoo

Tweets von @visions_s

Tweets von fraufoo

Verhandlungstag im Wasserwerfer Prozess ist zu Ende. Tweets über Zeugenvernehmung heute Nachmittag folgen irgendwann.

[Heute war es übrigens relativ ruhig im Gerichtssaal. Der - leider nötige - Aufruf des AK Jura scheint gewirkt zu haben. Stellungnahme AK Jura zu den Verschärfungen der richterlichen Verfügung betreffend Zuschauereinlass ]

Zeuge: "Wir haben Defizite bekommen Infos reinzuholen [wegen Funkproblemen] von Gefangenenwagen und Aufklärer Linksautonome"

Funkspruch: "wir haben das Zwischenziel erreicht und ziehen jetzt noch voll durch bis zu den Orgelpfeifen"

Zeuge: "Schwaden von Pfefferspray und Tränengas und Tierabwehrspray. Also das ist wie eine Wolke drüber gelegen"

Zeuge über Angeklagte: "es geht nicht mit zwei Alphatierchen auf Terrain. Das ist meine Überzeugung. Es muss Hierarchie geben"

[Nur zum Vorgeschmack. Auch heute war der Wasserwerfer Prozess wieder ganz großes Kino.]

[gleich geht es weiter mit Prozessbeobachtung vom heutigen Nachmittag des Wasserwerferprozesses.]

Vormittags hat der Zeuge E. ausgesagt - er wurde den zwei Angeklagten Einsatzabschnittsleitern zur Unterstützung zugeteilt]

[Bei einer Zeugenvernehmung erzählt der Zeuge erst einmal ununterbrochen am Stück was aus seiner Erinnerung geschah]

[Danach wird er dazu befragt. Verständnisfragen, Detailfragen, Fragen zu bisher nicht angesprochenen Themen etc.]

[Fragerecht hat zuerst die Vorsitzende Richterin, dann beisitzenden Richter, Staatsanwalt, Verteidigung, Nebenkläger, Angeklagte]

[Also ich habe nachmittags nur einen Teil der Befragung des Zeugens mitbekommen, nicht jedoch sein Wiedergeben der Geschehnisse]

[also im Prinzip nur die teils sehr speziellen Fragen, aber nicht das wozu er befragt wurde (ich hoffe ihr könnt mir folgen)]

Ausweise werden jetzt alle wie angekündigt kopiert.

Richterin befragt Zeuge ab Zeit ~15.06 Uhr im Schlossgarten. Auftrag war die Gitterlinie zu stellen, Fahrzeuge nach vorn bringen.

Ensatzkräfte hatten angefangen Leute wegzutragen. Gitteraufbau ging voran in Richtung Schillerstrasse.

über Funk "Transportkapazität für 40 Leute Abtransport. In 5 min 50 Personen" "also 90 Personen?" "Negativ. Insgesamt 50 Personen"

Funkspruch "Pyrotechnische Gegenstände, selbstgebastelte Rauchbomben werden geworfen ohne Rücksicht auf Verluste auf eigene Leute"

zu Funkspruch gefragt, Zeuge: "an Situation kann ich mich nicht erinnern. Ich hab die ganze Situation mit Pyrotechnik vergessen"

"Eigenlaborate: Tischtennisbälle in Styropor. Nicht so gefährlich. Von Auswirkung große Rauchentwicklung. Man sieht es richtig.“

laut Zeuge ging es ab 16 Uhr schneller/professioneller: Leute wegtragen, weniger Druck auf Polizeikräfte, Gitter aufstellen.

um 16.15 Uhr war Gitternetzpunkt GP3 erreicht. Zwischenziel. Kräfte aus Karlsruhe waren um 14 Uhr gegen Kräfte aus Tübingen ersetzt.

Funk um 16.23 Uhr: Zeuge E. an Polizeiführer Stumpf: "Wir setzen noch mal Wasserwerfer massiv ein. Dann könnt ihr hinten räumen"

zu dem Funkspruch von Richterin befragt erläutert Zeuge: "'massiv einsetzen' heisst 'Strahl flach vor Demonstranten.'

Zeuge "andere Einsatzweise hab ich nicht beobachtet 'massiv' bedeutet dass die Maschine sehr laut war. Beobachtung des Zustands"

Funkspruch ~ 16.30 Uhr: Zeuge E. zu Stumpf: „ Gitterlinie ist jetzt komplett auf vorgesehener Linie“ Stumpf: „gut so“

Richterin fragt Zeuge welche Arten von Wasserabgaben er im gesamten Einsatzverlauf gesehen hat.

Zeuge: "Beregnung". Auf den Boden unter die Personen. Abgabe von Wasserstrahlen, allerdings konnte ich das Ziel nicht sehen"

Zeuge: "im Verhältnis, am meisten war die 'Beregnung'.

"War Wasserwerfer Thema zwischen Angeklagtem M.-B. und Ihnen?" Zeuge: "Nein. [Pause] Also, da könnt ich mich jetzt nicht erinnern"

Richterin fragt nach Beschränkung auf Wasserregen. Thema irgendwann zwischen irgendwem? Zeuge "da könnt ich mich nicht erinnern"

Zeuge "ständig Durchsagen von Wasserwerfer. Es waren Versammlungsrechtliche Inhalte. Wortlaut weiß ich nicht mehr"

Richterin fragt ob Zeuge Gefühl hatte zu remonstrieren. „Haben Sie gedacht „jetzt läuft was schief?“

Zeuge "während Einsatz habe ich nicht remonstriert. Förmlich remonstriert habe ich nicht vor dem Einsatz. [Pause] Aus Feigheit.

Zeuge hatte vor dem Einsatz keinen Zugang zu Stumpf "man versucht Sachbearbeiter daraufhin zu weisen: "das würde ich so machen"

Zeuge "Ich verstehe nicht, warum wir das nicht in der Nacht machen"

Zeuge erzählt, als er bei anderer Demo der Jugendoffensive im Park war mit Hundertschaft. Thema Clubsterben. Röhre, Pavillion.

Bei der Demo ging das unbegründete Gerücht rum, dass Polizei gerade in Park eindringt. Hat nicht gestimmt.

Alle Versammlungsteilnehmer haben sich schweigend in verschiedene Richtungen bewegt. Wie Übung. "Völlig schwierige Situation"

Daher seine Überlegung ob man verhindert, dass Jugendoffensive am 30.9. in Park eindringt. Jedoch reichten Kräfte dafür nicht aus.

Zeuge hatte im Vorfeld gefragt "gibt es einen Plan die Jugendoffensive aufzuhalten?" "Nein, keine Kräfte" Zeuge sah Problem.

Zeuge kann nicht gut mit Polizeipräsident Stumpf. Persönliche Gründe – zwei Verwaltungsverfahren vor Gericht. Keinen Zugang zu ihm.

Zeuge "im Einsatz ging es schon. Zusammenarbeit war gut. Wir verstehen uns im Einsatz. Menschlich verstanden wir uns nicht."

Zeuge "ich bedaure nicht remonstriert zu haben. Zeitliche Vorverlegung hat uns jegliche Chance gekostet aus meiner Sicht"

Zeuge „Problem war, dass wir zu leichtsinnig waren durch Geschichte am Busbahnhof. Wir waren nachts mit vier Hundertschaften da.

Zeuge "und es kamen keine Störer“ "wir waren zu leichtsinnig. Hatten zu wenig Kräfte"

Richterin fragt wie seine Versuche Einfluss zu nehmen ankamen. Zeuge „Tenor: „du kennsch ihn doch. Da haben wir keinen Einfluss"“

Richterin: "Hat Polizeipräsident Stumpf bestimmt wo es langgeht aus Ihrer Sicht?" Zeuge: "er war der dominante Polizeiführer"

Zeuge „es war schwierig Einfluss zu nehmen, da alles so geheim war“ Später: "Geheim ist falsches Wort. Geheimnistuerei"

Es gab wohl die Idee im Vorfeld die Kräfte mit Sonderzug zeitgleich in Park zu bringen. Aber es gab Schwierigkeiten mit der Bahn

Angeklagter M.-B. hat grundsätzliche Taktik vorgegeben [bezieht sich glaub ich auf Besprechung Vortag] Dann Vorort umgesetzt

Taktik: 'wechselseitiger Druck' 'Pendelbewegung' Einzige Möglichkeit,dass es geht. Einsatz Wasserwerfer wurde nicht angesprochen

dann 8 kurze Videosequenzen angeschaut – es ging um Standortbestimmung des Zeugen im Einsatz , mit wem er wann wo sich aufhält.

Zeuge nach Anschauen vom Video:" Das bin ich. So schlimm hab ich das gar nicht in Erinnerung"

"So schlimm hab ich das gar nicht in Erinnerung. Mir war das noch bewußt mit Bierbänken,aber dass es so ein Menschenauflauf war."

nach Video 13.38 Uhr im Biergartenbereich "da war wie gesagt keine klare Trennung zwischen Demonstranten, Polizei und Fotografen"

Video 14.35 Uhr man sieht Zeuge E. mit Assistenen [die Ruhe hinter den Wasserwerfern. Aus der Ferne ertönen oben bleiben Rufe]

Video 16.15 Uhr Angeklagter M.-B. und Zeuge E. stehen zusammen und unterhalten sich. Richterin: wissen Sie noch worüber? Zeuge: "nein"

"wie und wann haben Sie von Freigabe unmittelbaren Zwangs erfahren?" Zeuge "An die Freigabe kann ich mich nicht erinnern"

[ich hab noch einiges an Notizen - das wird heute aber nichts mehr. Morgen ist auch noch ein Tag....]

Zeuge sagt Funk für Einsatzabschnitt und Führungsstab/Polizeiführer war unzureichend von der Menge Infos, vom Informationsstand.

Zeuge „Im Ansatz muss alles über Funk gehen. Das Handy verfluche ich
manchmal. Viele Dinge sind über Handy gelaufen “

Es ging noch viel um Thema Funk, Telefon, Handy über Details der
Handhabe dazu, Nummern, Abkürzungen, übliches Vorgehen etc.

Frage: warum über Funk Anweisung aufs Telefon zu wechseln? Zeuge: "wenn einen der Chef anweist man soll anrufen..."

Frage nach Verletzten auf Demo, Mitteilung während Einsatz.
Zeuge sah ein Vorkommnis "Ansonsten ist mir nichts erinnerlich"

Zeuge "Es war Remmidemmi und Halligalli. Es konnten mich dritte Personen von außen gar nicht erreichen. Es war ein Gebrüll"

Frage zu Stumpf und Häussler im Park und welcher Einsatz in dem Moment. Wasserwerfer? Zeuge “kann ich mich leider nicht erinnern“

nach Vorhalt aus Vernehmungsprotokoll die Frage wie das zusammenpasst
mit heutiger Aussage in Bezug auf manches.

Zeuge " So war es eben nicht. Da ich Ereignis völlig anders bewertet
habe. Ich hab mich da [Vernehmung] fahrlässig ausgedrückt“

z.B. aus Vernehmungsprotokoll: „Darauf ordnete ich [Wasserwerfereinsatz] an" Vor Gericht: "Wasserwerfer nicht selbst
angeordnet"

„Dimension dieser Ereignisse habe ich damals falsch eingeschätzt"
[Sonst hätte er es detaillierter bei Vernehmung ausgedrückt]

Verteidigung hat heute einige Fragen gestellt. Vor allem zu seiner
Funktion als Meldekopf zum Führungsstab.

"Sie hören nicht genau auf Funk [wenn nicht direkt angefunkt] Dennoch konnten Sie beurteilen, dass Info nicht ausreichend war?"

Verteidigung: warum nicht gleich über Funk? Ein Schritt mehr.
Zeuge: wenn einen der Chef anweist man soll über Draht kommen..

[berechtiger Einwand: wenn Funk funktioniert, um Telefon vorzugeben, warum nicht gleich wie vorgeschrieben bei Funk bleiben?]

Zeuge hatte nicht mit so einem Verhalten der Menschen im Park
gerechnet. War überrascht von Aggressivität der Leute.

Es ging noch viel um Vorbesprechungen, die Vorstellung Ihrer Konzepte
durch Einsatzabschnittsleiter. Wie so was abläuft.

Zeuge wurde Lage dargestellt, dass am 30.9. Park teilweise geräumt, um in der Nacht zum 1.10. Baumfällarbeiten durchzuführen.

Zeuge sagt aus, dass kein anderes Datum im Gespräch war. Wurde von
Stumpf oder Stab vorgegeben. Rückfragen/Alternative gab es nicht

"Vegetationsperiode endet am 30.9. Logistik der Bahn macht es notwendig, es gleich zu machen. So wurde es an mich herangetragen"

"wir waren verpflichtet zu höchster Geheimhaltung über Termine, Uhrzeit Geheim ist falsches Wort. Geheimnistuerei „Ja nix saga“

Von ihrer Erfahrung war es genügend Zeit [für Vorbereitung]
Großeinsatz? Zeuge: "zu kurz" Geäußert? "nein, Nur informelle Wege"

Nachbereitung unter Führung Innenministerium. Offizieller interner
Bericht. Zeuge war nicht beteiligt, wurde auch nicht befragt.

Ergebnis: Festlegen zu jedem Großeinsatz muss nun Ausstiegsszenario
vorgegeben worden und Punkt Antikonfliktteam Kommunikation.

Zeuge sagt, dass Bericht sehr kontrovers diskutiert wurde. Es gab volle Bandbreite. Von totaler Ablehnung bis totaler Zustimmung.

Verletzte sehr kontrovers diskutiert: Kollegen waren berührt oder
völliges Unverständnis wieso Demonstranten nicht weggegangen.

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KONTEXT Artikel: Der späte Mut, den Mund aufzumachen
Ausgabe 182 vom 24.09.2014